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Die Geometrie des unmöglichen Dreiecks

Wesentliche Eigenschaft unmöglicher Objekte ist es, dass sie lokal als dreidimensionale Objekte interpretiert werden. Da Geometrie in weiten Teilen gerade eine lokale Betrachtungsweise der Welt ist, ist es nicht verwunderlich, dass sie auch als mathematische Objekte betrachtet werden können. Das unmögliche Dreieck hat eine interessante Geometrie. Lassen wir beispielsweise einen Marienkäfer in Längsrichtung über die Balken laufen siehe Abbildung links. Die Durchgänge in der Mitte sind nummeriert, und die Laufrichtung ist mit Pfeilen angedeutet. Nun scheint die Oberfläche des unmöglichen Dreiecks aus einer langen, ununterbrochenen Bahn zu bestehen. Nach viermaligem Umlauf ist der Käfer wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückgekehrt.

Die Oberfläche eines unmöglichen Dreiecks (ohne die Kanten) ist eine orientierbare zweidimensionale Mannigfaltigkeit. Die drei eingezeichneten Teile der Oberfläche können als drei Karten aufgefasst werden.

volume

Mehr noch: Das Innere des unmöglichen Dreiecks ist eine dreidimensionale orientierbare Mannigfaltigkeit. Wir können sogar ihr Volumen berechnen, wie die untenstehende Abbildung zeigt. Das Dreieck ist aus 12 nummerierten Würfeln mit wohldefinierten Rauminhalten zusammengesetzt. Z.B. ist das Volumen 12 m3, wenn es sich um 12 Einheitswürfel mit Kantenlänge 1 m handelt.

Fazit: So lange man lediglich lokale Betrachtungen am unmöglichen Dreieck durchführt, gibt es keinen Widerspruch. Das Netzhautbild eines unmöglichen Objektes, so können wir ableiten, wird von unserem Gehirn genauso behandelt wie das Bild eines Stuhls oder eines Hauses: Es ist ein „räumliches Bild“. Es besteht in diesem Stadium kein Unterschied zwischen einem unmöglichen Dreieck und einem Stuhl. „Die unmögliche 3-Balken Konstruktion existiert also in der Tiefe unseres Gehirns, und zwar auf dem gleichen Niveau, auf dem alle Gegenstände aus der umgebenden Welt bestehen.“ (Bruno Ernst, 1989)

„Menschen sind genetisch dafür ausgerüstet, mathematische Strukturen zu verstehen.“ (Hans Magnus Enzensberger) Und umgekehrt: Die mathematischen Strukturen sind formaler Ausdruck unserer genetischen Aurüstung. Letztendlich sind alle mathematischen Konzepte und Ideen auch nur in unseren Gehirnen entstanden und tragen das Jahrmillionen alte Erbe der Evolution, durch die sich eine ganz spezifische und den Lebensumständen unserer Vorfahren optimal angepasste Art der Wahrnehmung der Welt entwickelte.


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