iese Überschrift ist so gemeint: Viele Griechen, am ausdrücklichsten unter ihnen wohl Pythagoras aus Samos (? - 490 v.Chr.), aber auch Platon (427 - 347 v.Chr.), haben begründet, daß die Geometrie nicht von 'wirklichen' Dreiecken, Vierecken, Kreisen usw. handelt, sondern von idealen, 'gedachten' Figuren. Pythagoras hat erkannt, daß die Sätze der Geometrie, damit diese als 'wahr' gelten sollen, einen Beweis brauchen, und wohl beim Herumsuchen, was denn ein guter Beweis sei, hat er erkannt, daß jeder Beweis vorher Voraussetzungen, faktisch also Definitionen und Axiome braucht. Mit diesen Ideen hat er eine Schule (vielleicht fast eine Sekte) gegründet, die dieses Beweisen gepflegt hat, und die dann -vielleicht durch ihn selbst, oder einen seiner Schüler- in große sachliche Schwierigkeiten gekommen ist (vgl. Platon's Menon). |
Wenn man nämlich das Messen von Strecken und Flächen (praktisch für die Flächensätze des rechtwinkligen Dreiecks) über den Strahlensatz schließlich sorgfältig definiert, kommt etwas ganz Wunderliches heraus. Man kann beweisen, daß man die Länge der Diagonale eines Quadrates gar nicht, wie definiert, messen kann mit der Einheit, die die Seite des Quadrats innehat, denn . Die allereinfachste Konstruktion eines Quadrates schon übersteigt die Möglichkeiten der griechischen Arithmetik. Platon betont immer wieder, wie wichtig die Geometrie ist, denn genau damit kann er zeigen, daß es 'seinen Ideen-Himmel' wirklich geben muß.
Das hatte auch inner-mathematisch drastische Folgen: Bei Euklid ist die ganze Arithmetik in geometrischer Gestalt behandelt, als eine Streckenrechnung, denn 'Zahlen' sind immer 'Verhältnisse von zwei Strecken'. Daß man die rationalen Zahlen leicht definieren kann, und daraus auch die reellen Zahlen (zum Beispiel als Dedekind'sche Schnitte in ) hätte die Griechen nie befriedigt. Aber für jene Verhältnis-Rechnung (nach Eudoxos) ist das überhaupt kein Problem. Denn die Zahlen und ,,gibt es dann'' ganz offensichtlich. Man braucht so auch keine Mengenlehre vorab.
Die Lage für die griechischen Mathematiker war aber gerade deshalb noch viel komplizierter, und so, daß es auch ,,in modernen Worten'' nicht einfach ist. Wenn man die Gleichheit von Zahlen durch Streckenrechnung definiert hat, ist eine Frage von Demokritos (459 - 371 v.Chr.) immer noch nicht glatt zu beantworten (Hermann Diels: Die Fragmente der Vorsokratiker, Fragment 155):
,,Wenn ein Kegel unmittelbar an der Grundfläche mittels einer Ebene geschnitten wird, wie soll man sich die entstehenden Schnittflächen denken, gleich oder ungleich (kongruent oder inkongruent)? Sind sie ungleich, dann werden sie den Kegel ungleichmäßig machen, da er viele stufenartige Einschnitte und Vorsprünge erhält; sind sie dagegen gleich, so werden auch die Schnitte gleich sein, und der Kegel wird die Erscheinung des Zylinders darbieten, da er aus gleichen, nicht aus ungleichen Kreisen bestehen wird, was doch sehr ungereimt ist.''
Dieser Widerspruch ist wohl ein elementares Motiv für die Lehre
von den Atomen bei Demokrit gewesen.
In den Worten der heutigen Mathematik etwa so:
Sei der Kegel , und
Klar ist, daß der ebene Rand C+0 von C0, und C-1, der ebene Rand von C1, mit S übereinstimmen; und alle drei Flächen haben den gleichen Flächeninhalt |
Wenn man ,,Gleichheit'' als eine Äquivalenzrelation definiert, gibt es kein Problem. Aber warum sind C+0 und C-1 denn nun ,,wirklich gleich''?
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