nextupprevious
Next:Über die Messung der geographischen Länge Up:Ringvorlesung ,,Geschichte der Mathematik'' Previous:Geometrie der Ideen

Messung des Erdumfangs


in ganz verblüffender und ausführlicher Bericht über die Größe der Erde findet sich in der Weltliteratur, nämlich bei Herodot (von Halikarnassos), dem 'Vater der Geschichtsschreibung' (im vierten Buch, Kap. 42 und 43).

,,Ich wundere mich, daß man drei Erdteile unterscheidet: Libyen, Asien und Europa. Ihre Größe ist doch so verschieden. Europa ist so lang, wie die beiden anderen zusammengenommen, und an Breite können sie sich offenbar noch weniger mit Europa messen. Libyen ist ja doch rings vom Meere umflossen, abgesehen von der Stelle, wo es mit Asien zusammenstößt. Der König Nekos von Ägypten ist, soviel wir wissen, der erste gewesen, der den Beweis dafür geliefert hat.
Als Nekos nämlich den Bau jenes Kanals eingestellt hatte, der vom Nil nach dem Arabischen Meerbusen führen sollte, schickte er Phoiniker mit einer Flotte aus und gab ihnen den Auftrag, den Rückweg durch die Säulen des Herakles zu nehmen und also durch das mittelländische Meer nach Ägypten zurückzukehren. So fuhren denn die Phoiniker durch das Rote Meer nach Süden fort. Als der Herbst kam, gingen sie an Land, bebauten das Feld, an welcher Stelle Libyens sie sich nun gerade befanden, und warteten die Ernte ab. Hatten sie geerntet, so fuhren sie weiter. So trieben sie es zwei Jahre lang, und im dritten Jahr bogen sie bei den Säulen des Herakles ins nördliche Meer ein und gelangten nach Ägypten. Sie erzählten - was ich aber nicht glaube, vielleicht erscheint es anderen eher glaublich -, daß sie während der Umschiffung die Sonne auf einmal zur Rechten gehabt hätten.
So wurde zum ersten Mal bewiesen, daß Libyen ganz vom Meere umgeben ist.''

Nekos bezeichnet den Pharao Necho II aus der 26. Dynastie, der von 610-595 v.Chr. regierte.
Dann wird dort im 4. Buch von zwei Versuchen berichtet, den Kontinent Afrika von West nach Ost zu umrunden. Diese Reisen von Hanno (um 520 v.Chr.) und Sataspes (490 v.Chr.) sind gescheitert. Erst Vasco da Gama (1497/99) ist dies mit hochseetauglichen Schiffen und der Ausnutzung der Passatwinde zu einer günstigen Zeit dann auch auf der Route von West nach Ost gelungen.

Die erste mathematisch vernünftige, und sogar sachlich richtige Messung des Umfangs der Erde stammt von Eratosthenes von Kyrene (275 - 195 v.Chr.). Er wußte, daß die Sonne in der Nähe von Assuan in einen Brunnen am Tag der Sommer-Sonnenwende mittags genau senkrecht hineinscheint, und maß, daß an diesem Tag in Alexandria die Sonne einen Schatten von $7,2^{\circ}$ erzeugt. Er war der (ungefähr) richtigen Meinung, daß die beiden Orte genau nord-südlich zueinander liegen, und ließ sich sagen, daß ein Kamel dorthin 50 Tage braucht, und machte eine Schätzung, wieviele Stadien es (der Weg ist immer ein ebener Weg) jeden Tag schaffen wird. Der Erdumfang kommt auf ein paar Prozent richtig heraus (252 000 Stadien).
 
Eine zweite Messung dieser Art stammt von Poseidonios aus Apameia (in Syrien) (135 - 51 v.Chr.), einem der Lehrer von Cicero. Er beobachtete, daß wenn der Sirius auf der Insel Rhodos (heute Zypern) nur eben am Horizont auftaucht und dann wieder untergeht, daß dann in Alexandria der höchste Stand des Sirius bei $\frac{2}{24} \cdot 90^{\circ} = 7,5^{\circ}$ ist (was sehr ungenau ist, es sind nur $5,25^{\circ}$). 
Daß Rhodos genau nördlich von Alexandria liegt, ist auch ungefähr richtig. Seine Schätzung der Entfernung von Rhodos nach Alexandria ist schwer zu verstehen, er kannte ja die Rechnung von Eratosthenes, er endet mit einem Erdumfang von 180 000 Stadien, knapp $\frac{3}{4}$ des früheren (aber zu großen) Wertes. Strabo hat das gut überliefert, und Columbus (1451-1506) hat ihm das geglaubt. Daß er aber meinte, mit seiner Ausrüstung nach Indien segeln zu können, hat noch einen anderen Rechenfehler als Grundlage, so daß er glauben konnte und mußte, daß er in Hinterindien gelandet sei: Es gab damals einen ausführlichen und genauen Bericht über Asien von Marco Polo (1254-1324).
Der war zwischen 1271 und 1295 unterwegs und ist tatsächlich an der Mündung des Jangtse in Ostchina gewesen, und er berichtet von den Inseln Japans (bei ihm 'Cipangu'), die noch weiter im Osten liegen. Offensichtlich hat sich M. Polo bei den Entfernungsschätzungen (der geographischen Länge) zu 'seinen Gunsten' nach oben verschätzt, oder seine Leser taten dies. 
Der Nürnberger Martin Behaim nahm 1487/88 an einer Entdeckungsreise des Portugiesen Bartolomeu Diaz teil, welche von Lissabon bis zum Kap der guten Hoffnung kam.
Cipangu
Er hat sicher gesehen, daß die Sonne auf der Südhalbkugel im Norden steht, und seine Erfahrungen und Kenntnisse auf einem Holzglobus mit 2,50 m Durchmesser dargestellt. Die Küste Westafrikas ist offensichtlich richtig dargestellt, im Osten Afrikas und in China herrscht einige Fantasie. Cipangu ist, wegen Marco Polo, dort groß und so dargestellt, daß es Columbus niemals hätte verfehlen können. Man kann das auch heute noch leicht nachvollziehen.
 

Behaims Holzglobus Diaz' Reiseroute


nextupprevious

Next:Über die Messung der geographischen Länge Up:Ringvorlesung ,,Geschichte der Mathematik'' Previous:Geometrie der Ideen

18.1.1999