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Spezielle Relativitätstheorie

A.Einstein (1879-1955)
eute fallen 'Zeitmessung' und 'Längenmessung' beinahe in eines zusammen. Das verdanken wir einem berühmt gewordenen Versuch von A.A. Michelson und E.W. Morley (1881), die durch Versuche fanden, daß die gemessene Lichtgeschwindigkeit c im Labor überhaupt nicht davon geändert wird, daß der Beobachter mit der Erde und mit erheblicher Geschwindigkeit durch das Weltall 'kreiselt'. A. Einstein (1879-1955) machte folgenden Vorschlag :

Es sei der reelle 4-dimensionale Vektorraum

\begin{displaymath}{\Bbb{M}} := \left\{ X = \left( x_{0} = ct, x_{1}, x_{2}, x_{3} \right) \in{\Bbb{R}}^{4} \right\} \cong {\Bbb{R}}^{4}\end{displaymath}

gegeben, auf dem das Minkowski-Skalarprodukt (nach H. Minkowski aus Kaunas in Litauen (1864 - 1909))

\begin{displaymath}\langle X, Y \rangle := x_{0} y_{0} - \sum^{3}_{\alpha = 1}x_{\alpha} y_{\alpha}\end{displaymath}

für $X = \left( x_{0}, x_{1}, x_{2}, x_{3} \right), \ Y = \left( y_{0}, y_{1},y_{2}, y_{3} \right) \in {\Bbb{M}}$ definiert ist. Das Paar $({\Bbb{M}} , \langle \cdot, \cdot \rangle )$ heißt Minkowski-Raum, die Konstante c > 0 Lichtgeschwindigkeit. Ein Vektor $X \in {\Bbb{M}}$ heißt zeitartig, wenn $\langle X, X \rangle > 0$, raumartig, wenn $\langle X, X \rangle < 0$ ist, und lichtartig wenn $\langle X, X \rangle = 0$ ist.

Die Lichtgeschwindigkeit c  wird benutzt (etwa in $\lbrack^{m}/_{sec}\rbrack$), damit man statt der Zeitachse ${\Bbb{R}}_{(t)}$ mit der Dimension [sec] die Koordinatenachse ${\Bbb{R}}_{(x_{0})}$ mit der Dimension [m] bekommt.

Die zeitartigen Vektoren von ${\Bbb{M}}$ bilden einen Kegel $\mbox{$\cal{K}$ }$ mit dem Rand $\partial \mbox{$\cal{K}$ }$,

\begin{displaymath}\partial \mbox{$\cal{K}$} = \left\{ X \, \vert \, \langle X, ......^{2}_{0} -\sum^{3}_{\alpha = 1} x^{2}_{\alpha} = 0 \right\} ,\end{displaymath}

dem Lichtkegel:

\begin{picture}(83.00,49.00)%\vector(62.67,9.00)(62.67,49.00)\put(62.67,49.0......,0)[cc]{$x_{1}$ }}\put(83.00,34.33){\makebox(0,0)[cc]{$x_{2}$ }}\end{picture}

Ein zeitartiger Vektor X heißt zukunftgerichtet, wenn x0 > 0.

Ein zukunftgerichteter zeitartiger Vektor

\begin{displaymath}X \in {\Bbb{M}}, \, X = \left( ct = x_{0}, x_{1}, x_{2}, x_{3} \right),\end{displaymath}

stellt den 4er-Geschwindigkeitsvektor eines Punktes dar, der im Newtonschen Bild durch

\begin{displaymath}\underline{v} = \frac{\left( x_{1}, x_{2}, x_{3} \right)}{t} , \qquad \underline{v} \in{\Bbb{R}}^{3}, \, t = \frac{x_{0}}{c}\end{displaymath}

dargestellt wird, und es gilt für den Betrag von $\underline{v}$, also für $\vert v\vert$ dann:

\begin{displaymath}\vert \, \underline{v} \, \vert^{2} = \frac{x^{2}_{1} + x^{2}_{2} + x^{2}_{3}}{t^{2}}< c^{2},\end{displaymath}

d. h. ein zeitartiger Vektor repräsentiert den 3-dimensionalen Newtonschen Geschwindigkeitsvektor $\underline{v}$ eines Punktes, der sich langsamer als das Licht bewegt. Die Größe $\tau = \sqrt{ \langle X, X \rangle }$ heißt Eigenzeit (,,erlebte Zeit'') eines Teilchens, das sich entlang X bewegt. Wenn X raumartig ist, ist $\tau$ imaginär und so nicht erklärt. Ein Teilchen, das sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, ein Photon, für das also $\vert \, \underline{v}\, \vert^{2} = c^{2}$ gilt, wird dargestellt durch einen lichtartigen Vektor X mit $\langle X, X \rangle = 0$; ein solches Teilchen erlebt also keine Eigenzeit. Deshalb ist so die Lichtgeschwindigkeit auch ,,Grenzgeschwindigkeit''.

(i)
$\langle \cdot , \cdot \rangle$ ist symmetrisch: $\langle X, Y\rangle = \langle Y, X \rangle \quad \forall X, Y \in {\Bbb{M}}$.
(ii)
$\langle \cdot , \cdot \rangle$ ist bilinear:
Es ist für alle $X, Y, Z \in {\Bbb{M}}$$a, b, d \in {\Bbb{R}}$ erfüllt
\begin{align*}\langle a X + b Y, d Z \rangle& = \left( a x_{0} + b y_{0} \righ......le\\& \quad \forall X, Y, Z \in {\Bbb{M}}, a, b, d \in {\Bbb{R}}\end{align*}

Mit (i) folgt die Bilinearität.

(iii)
$\langle X, Y \rangle > 0$, wenn $X, Y \in {\Bbb{M}}$ zeitartig und zukunftgerichtet sind.
Da X zeitartig ist, folgt
\begin{displaymath}x^{2}_{0} - \sum^{3}_{\alpha = 1} x^{2}_{\alpha} > 0,\end{displaymath}

und da X zukunftgerichtet ist, gilt

\begin{displaymath}x_{0} > \sqrt{\sum\limits^{3}_{\alpha = 1} x^{2}_{\alpha}} \ge 0.\end{displaymath}

Analog für Y. Wegen der Cauchy-Schwarz'schen Ungleichung ist

\begin{displaymath}\sum^{3}_{\alpha = 1} x_{\alpha} y_{\alpha} \le \sqrt{\sum^{3......a}} \sqrt{ \sum^{3}_{\alpha = 1} y^{2}_{\alpha}} < x_{0} y_{0}.\end{displaymath}

Also gilt

\begin{displaymath}\langle X, Y \rangle = x_{0} y_{0} - \sum\limits^{3}_{\alpha = 1} x_{\alpha}y_{\alpha} > 0.\end{displaymath}


Damit können wir das Zwillings-,,paradoxon'' erklären. Denn es gilt:

Für zwei nichtverschwindende, zeitartige und zukunftgerichtete Vektoren ist immer

\begin{displaymath}\langle X + Y , X + Y \rangle > \langle X, X \rangle + \langle Y, Y \rangle,\end{displaymath}

und wenn zusätzlich X und Y nicht parallel sind, gilt auch:

\begin{displaymath}\langle X + Y , X + Y \rangle^{1/2} > \langle X, X \rangle^{1/2} + \langle Y,Y \rangle^{1/2},\end{displaymath}

also die umgekehrte Dreiecksungleichung (wrong-way triangle inequality).

\begin{picture}(69.00,50.00)%\vector(44.33,10.00)(44.33,50.00)\put(44.33,50.......ox(0,0)[cc]{$X$ }}\put(40.67,32.00){\makebox(0,0)[rc]{$X + Y$ }}\end{picture}

Denn: Es ist $\langle X + Y, X + Y \rangle = \langle X, X \rangle + 2\langle X, Y \rangle + \langle Y, Y \rangle$ und $\langle X, Y \rangle > 0$ nach Annahme.

Ist aber W := X + Y, kann man für W ein ,,mitbewegtes'' Koordinatensystem einführen, in welchem $W = (\alpha , 0, 0, 0) =: (\alpha , \underline{0})$ ist.

Dann ist in diesem Koordinatensystem natürlich

\begin{displaymath}X = (\beta , b_{1}, b_{2}, b_{3}) =: (\beta , \underline{b})\end{displaymath}

und

\begin{displaymath}Y = (\gamma , - b_{1}, - b_{2}, - b_{3}) =: (\gamma , - \underline{b}),\end{displaymath}

und $\alpha = \beta + \gamma$,  damit X + Y = W ist.

Dann ist

\begin{displaymath}\langle W, W \rangle = \alpha^{2} = (\beta + \gamma )^{2} = (\sqrt{\beta^{2}}+ \sqrt{\gamma^{2}})^{2}\end{displaymath}

und

\begin{displaymath}\langle X, X \rangle = \beta^{2} - \underline{b} \cdot \under......Y, Y\rangle = \gamma^{2} - \underline{b} \cdot \underline{b},\end{displaymath}

so daß gilt

\begin{displaymath}(\langle \underline{X}, \underline{X} \rangle^{1/2} + \langle......} + \sqrt{\gamma^{2} - \underline{b} \cdot\underline{b}})^{2}\end{displaymath}

Also ist

\begin{displaymath}\langle W, W \rangle > (\langle X, X \rangle^{1/2} + \langle Y, Y\rangle^{1/2} )^{2}\end{displaymath}

und

\begin{displaymath}\langle W, W \rangle^{1/2} > \langle X, X \rangle^{1/2} + \langle Y, Y\rangle^{1/2},\end{displaymath}

falls $\underline{b} \ne 0$ oder X und Y nicht parallel sind.

Man beachte, daß die zulässigen Koordinatenwechsel in ${\Bbb{M}}$ die Minkowski-Längen $\langle X, X \rangle$ als die Quadrate der Eigenzeit $\tau$ invariant lassen, auch wenn die Koordinaten X = (x0, x1, x2, x3) sich ändern können.

Die Eigenzeit entlang W = X + Y ist also länger als die entlang X und danach entlang Y.
Mit anderen Worten:
 
Der Zwilling, der sich entlang dem (scheinbar kürzeren) Vektor X + Y bewegt, wird älter als der, der sich entlang X und dann entlang Y bewegt.

Natürlich braucht dieser aber einmal viel Energie, um die Geschwindigkeit X in die Y zu ändern; er muß mit Masse M auch seinen Impuls ändern.


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18.1.1999