Die Kunst der Teleportation

Florian Rötzer   15.12.97

Menschen als Nachrichten zu versenden, war einer Träume zu Beginn der Kybernetik, jetzt scheint der erste Schritt zur Realisierung getan zu sein. -->

Als Computerspieler sind wir es gewohnt, daß Teleportation, also das Versenden von "Materie" und deren Rekonstruktion an einem anderen Ort, möglich ist. Auch in Science-Fiction-Filmen wie beim Raumschiff Enterprise macht das keine Schwierigkeiten. Unlängst haben die Mitglieder der Sekte  Heaven Gate's diese mit der Computertechnologie verbundene Hoffnung als bare Münze genommen, sich getötet und geglaubt, daß sie auf den nächst höheren Level gebeamt werden - da sollte nämlich das Raumschiff im Schweif des Kometen Hale-Bopp auf die Auserwählten gewartet haben, um sie zu den Extraterrestrischen mitzunehmen.

Für jene, die vielleicht gerne in ferner Zukunft oder in der Phantasie weite Fahrten unternehmen würden, gibt es noch die Idee der Reisen durch sogenannte passierbare Wurmlöcher in andere Galaxien. Sie sollen auch Zeitreisen ermöglichen, worüber sich herrlich paradoxe Gedankengänge anstellen lassen. Auch hier sagen Physiker - nicht nur SF-Autoren wie Arthur C. Clark mit seinem Sternentor in "2001: Odyssee im Weltraum" -, daß sich theoretisch befahrbare Wurmlöcher konstruieren lassen könnten. Man fährt in ein Schwarzes Loch ein und kommt unversehrt aus einem Weißen Loch wieder heraus, wenn man denn die hier herrschenden Gravitationskräfte überstehen würde.

Doch schon zum Beginn der Computerrevolution schrieb der Mathematiker, Begründer der Kybernetik und Pionier der Computertechnik Norbert Wiener in seinem Buch "mensch und menschmaschine" , daß der Mensch wie alles andere auch eigentlich nur eine "Nachricht", also eine "Form" und keine Substanz sei. Bislang könne man Lebendiges, etwa durch Zellteilung, nur über eine "kurze Entfernung hin verdoppeln". Aber weil dies so sei, gebe "es keine fundamentale absolute Grenze zwischen den Übermittlungstypen, die wir gebrauchen können, um ein Telegramm von Land zu Land zu senden, und den Übermittlungstypen, die für einen lebenden Organismus wie den Menschen zum mindesten theoretisch möglich sind." Dummerweise würde allerdings das Scannen aller Bausteine eines lebendigen Wesens das Gewebe abtöten. Dennoch hielt Wiener fest: "Die Tatsache, daß wir das Schema eines Menschen nicht von einem Ort zu einem anderen telegrafieren können, liegt wahrscheinlich an technischen Schwierigkeiten und insbesondere an der Schwierigkeit, einen Organismus während solch einer umfassenden Rekonstruktion am Leben zu erhalten. Sie liegt nicht an der Unmöglichkeit der Idee."

Eine solche Faxmaschine für 3D-Objekte ist immer noch attraktiv. Nur in der SF bleibt dabei das Original erhalten, was aber dann zu einigen Paradoxien führen würde. Auch wenn Teleportation bis vor kurzem in der Wissenschaft als Hirngespinst betrachtet wurde, weil das Unbestimmtheitsprinzip der Quantenmechanik auszuschließen schien, die gesamte Information eines Partikels zu messen oder zu scannen, so hat sich das in letzter Zeit verändert.  Charles H. Bennett konnte vor einigen Jahren zeigen, daß "im Prinzip" nach dem sogenannten Einstein-Podolsky-Rosen-Effekt eine perfekte Teleportation möglich sei. Durch das Scannen wird allerdings notwendigerweise das Ursprungsobjekt anders als beim Faxen eines Dokuments vernichtet. Das eben ist Teleportation, die sich von einer Replikation unterscheidet.

Nicht theoretisch oder prinzipiell, sondern wirklich, wenn auch nicht gerade als Fernreise, haben jetzt, wie die Zeitschrift  Nature berichtet, Wissenschaftler an der  Universität von Innsbruck unter der Leitung von  Anton Zeilinger eine Quanten-Teleportation über immerhin etwa einen Meter Entfernung realisiert. In ihrem Experiment zerstörten sie Photonen und schafften es, deren Polarisation, d.h. die Richtung des Spins, als Information an andere Photone weiterzuleiten, die diese Information aufgriffen und dadurch die Eigenschaften der zerstörten Photonen replizierten. Prinzipiell könne das Photon, das die Eigenschaften des ersten Photons repliziert, beliebig weit entfernt sein.

Verbundene Photone haben stets eine gegensätzliche Polarisation. Zerstört man daher eines der beiden, so hat das andere einen gegensätzlich ausgerichteten Spin. Verbunden mit einem weiteren, nimmt das dritte Photon wiederum die Polarisation des ersten an. Das gleicht natürlich den Vorstellungen der Teletransportation von Materie nicht, die Bit für Bit zerlegt und rekonstruiert wird, und setzt bereits auf dieser fundamentalen Stufe die Zerstörung des kopierten Photons voraus. Es wäre ja auch ärgerlich, wenn man jedesmal, sofern man Menschen als Nachricht versenden könnte, sich verdoppelt und dann immer mehr Klons herumlaufen.

Anton Zeilinger und sein Team hoffen, wenn die Technik einmal ganz verstanden ist, daß auch Atome und Moleküle irgendwann in naher Zukunft teleportiert werden können. Das wäre dann vielleicht die große Zeit des Teleshopping und der wirklich nachhaltigen Informationsgesellschaft, wenn man dazu nicht viel Energie aufbringen müßte.

Vorerst verspricht die Licht-Teleportation aber lediglich schnellere Quanten-Computer, wenn man denn welche bauen könnte. Aber daran glauben die Wissenschaftler schließlich auch. Gut daß diese SF-Computer - theoretisch möglich - dann auch schneller sind. Wir aber bleiben noch an den Ort gebunden, müssen mühsam unseren Körper mit uns durch Raum und Zeit schleppen und können höchstens telepräsent durch Stellvertreter oder Fernlinge woanders sein. Das ist aber vielleicht auch ganz gut so, denn derart bleibt wenigstens noch ein bißchen Privatheit gewahrt. Oder wie wäre es, wenn plötzlich jemand ungerufen sich vor Ihnen materialisierte, sobald er irgendwie an Ihre Email-Adresse geraten ist?


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